Schreibtipp von Anton Tschechow

27. März 2009 | Kategorie: Wort-Spiel

Der russische Schriftsteller Anton Tschechow (1860 – 1904) gab einst jungen Autoren den radikalen Rat, die ersten drei Seiten eines Textes wegzuwerfen. Der Hintergrund dieses Tipps sieht so aus: Oft braucht man erst einmal eine Weile, um sich warm zu schreiben. Da wird nach der richtigen Erzählerstimme gesucht, die Geschichte mäandert ein wenig vor sich hin, bis sie auf der richtigen Spur ist und dem Leser werden jede Menge Informationen um die Ohren gehauen, damit er nachher auch bloß alles versteht.

So zu schreiben ist völlig in Ordnung. Solange man sich vor Augen hält, an der Rohfassung zu arbeiten. Bei der Überarbeitung kann man die überflüssigen Mäanderbögen streichen, den Text in der mittlerweile gefundenen Erzählerstimme umschreiben und die notwendigsten Informationen unauffällig verpackt im Laufe der Geschichte einstreuen.

Aber Tschechows Rat zielt noch auf einen weiteren Punkt ab. Man muss entscheiden, welcher Punkt in der Geschichte der beste ist, um den Text zu starten. Jede Kurzgeschichte, jeder Roman ist durch das Vorleben der Figuren um ein Vielfaches länger als der geschriebene Text. Wo beginnen? Wie viel Vorgeschichte muss in den Text? „Mit einem Erdbeben beginnen und sich dann langsam steigern“ heißt ein häufig zitierter Rat zu diesem Thema. Worin dieses Erdbeben nun besteht, ob es als feiner Riss oder verheerende Katastrophe sichtbar wird, diese Entscheidung muss jeder Autor treffen. Wirft man die ersten drei Seiten weg, bugsiert man die Figuren womöglich ganz knapp vor den Abgrund. Zweifellos ein hervorragender Ort für das fiktionale Personal.

Quelle: http://www.ratschlag24.com/index.php/schreibtipp-von-anton-tschechow_000009399/